Soziale Ungleichheit und Soziale Strukturen
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Soziologie des Wohnens und der Wohnungslosigkeit

15152 - Übung

Saskia Gränitz, M.A.

Do. 12-14 Uhr c.t., Konradstr. 6, 109
Beginn: 20.10.2016   Ende: 09.02.2017

Nach acht Jahren Wirtschaftskrise hat die Wohnungslosigkeit sowohl in der europäischen Peripherie als auch in Kerneuropa einen Höchststand erreicht. Bereits während der ersten drei Krisenjahre wuchs die Zahl der Wohnungslosen in Griechenland um 25 %. In Spanien, wo die Krise 2007 mit dem Platzen einer jahrelangen ‚Immobilienblase‘ eingeläutet wurde, wurden allein bis 2012 über 400.000 Haushalte zwangsgeräumt, während im gesamten Land der Putz von unbewohnten Geisterstädten und halbfertigen Appartment-Siedlungen bröckelt. Und auch in Deutschland steigt seit 2008 die Zahl der Wohnungslosen um jährlich mehr als 10.000 Personen an, so dass die BAG W bereits eine Prognose veröffentlichte, wonach im Jahr 2018 mehr als eine halbe Million Menschen betroffen sein werden. Überdurchschnittlich wächst der Anteil derjenigen, die „Platte machen“, also unter freiem Himmel schlafen müssen. Auch nahm der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund unter den Wohnungslosen kontinuierlich zu und lag 2014 bei 31 %. In Anbetracht der marginalisierenden und exkludierenden Effekte der deutschen Zuwanderungspolitik im Kontext eines auf Abschottung und Illegalisierung zielenden europäischen Migrationsregimes dürfte sich dieser Trend fortsetzen.
Ziel der Übung ist es, Diskurse und Bilder über Obdachlose im Kontext verschärfter Wohnungsnot und vor dem Hintergrund einer multiplen Krise des Wohnens zu problematisieren. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf ausgewählten historischen und sozialräumlichen Spezifika der Wohnraumfrage, denn München ist nicht gleich Dresden ist nicht gleich Madrid ist nicht gleich Bukarest. Angesichts der europäischen Dimension der aktuellen Krise ist außerdem ein relationaler Zugang erforderlich, der Erkenntnispotenziale hinsichtlich der Frage nach dem Zusammenhang von Migration, Sozialstatus und Wohnungsnot verspricht. Denn wer kündigen muss, weil die Mieten unbezahlbar werden, ist nicht automatisch ein Wohnungsnotfall, jedenfalls solange er die Chance hat, irgendwo eine günstigere Wohnung anzumieten. Wer jedoch aus einer ehemaligen Sozialwohnung in der stadträumlichen Peripherie zwangsgeräumt wird, weil die Mietpreisbindung ausläuft, hat im Regelfall schlechtere Karten auf den Wohnungsmärkten. Und wer ohne Aussicht auf kommunale Unterbringung oder nach abgelehntem Asylbescheid aus einer Erstaufnahmeeinrichtung entlassen wird, landet oftmals direkt auf der Straße.
Wohnungslosigkeit ist also nicht gleich Wohnungslosigkeit, weshalb wir in der Übung vor dem Hintergrund gesellschaftstheoretischer Rahmungen und mithilfe der soziologischen Brille genauer hinschauen wollen. In einem ersten Schritt werden wir krisentheoretische Überlegungen mit aktuellen empirischen Befunden zu Wohnungslosigkeit und Wohnungsnotfällen verknüpfen. Anschließend beleuchten wir subjektive Bewältigungsstrategien, kollektive Organisierungsformen und politische Maßnahmen, die auf die europäische Krise des Wohnens reagieren. Am Schluss sollen dann verzerrende Wahrnehmungsmuster von Wohnungslosigkeit entschlüsselt und stereotype Zuschreibungen gegenüber ‚Obdachlosen‘ mit empirischen Befunden und theoretischen Reflexionen konfrontiert werden.

Literatur

  • Ludwig-Mayerhofer, Wolfgang (2008): Wohnungslosigkeit. In: Soziologie sozialer Probleme und sozialer Kontrolle. Realitäten. Repräsentationen und Politik. Wiesbaden: VS, 502–512.


Bemerkung

Anwesenheitspflicht in der 1. Veranstaltungsstunde! Sollten Sie aus triftigen Gründen nicht teilnehmen können, so informieren Sie den/die Dozenten/Dozentin rechtzeitig. Unentschuldigtes Fehlen in der 1. Veranstaltungsstunde bedeutet automatisch den Verlust des Kursplatzes.

Voraussetzungen

  • regelmäßige und aktive Teilnahme
  • kontinuierliche Lektüre der Literatur

Leistungsnachweis

  • Referat
  • Hausarbeit/Übungsaufgaben