Soziale Ungleichheit und Soziale Strukturen
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Vom Modell zur Steuerung: Der Einfluss der Wirtschaftswissenschaft auf die politische Gestaltung der Finanzmärkte durch Zentralbanken (MoSte)

Leitung

Prof. Dr. Stephan Lessenich   stephan.lessenich@soziologie.uni-muenchen.de

Mitarbeiter/innen

Förderinstitution

BMBF

Projektträger

Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung,
Projektträger DLR Geistes- und Sozialwissenschaften im Rahmen der Förderinitiative „Finanzsystem und Gesellschaft. Bedeutungs- und Funktionswandel des Finanzsystems sowie Implikationen für die Entstehung, Überwindung und Vermeidung von Finanzkrisen“.

Projektlaufzeit

1.10.2015 – 30.9.2018

 

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Kurzbeschreibung

Zentralbanken spielen bei der Ausgestaltung des Geldsystems und der Finanzmärkte eine herausragende Rolle. Das Wissen für ihre Steuerungsaktivitäten wird dabei hauptsächlich durch die Makroökonomik bereitgestellt. In den Sozialwissenschaften ist derzeit allerdings noch kaum erforscht, wie sich wirtschaftswissenschaftliches Wissen in Steuerungspraktiken übersetzt.
Das Projekt MoSte will zu einem besseren Verständnis der sozialen Aspekte der wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen moderner Finanzsysteme beitragen. Ziel ist die empirische Erfassung der Verbindungen zwischen dem wirtschaftswissenschaftlichen Spezialdiskurs der Neuen Klassischen Makroökonomik und den teilöffentlichen Steuerungsdiskursen von Zentralbanken. Es wird gefragt, wie die Wissensbildung in der Ökonomik vonstattengeht und wie dieses Wissen im Transfer anwendbar gemacht wird.

Das Vorhaben fokussiert auf zwei Fragekomplexe:
Im Bereich des disziplinären Wissens der Ökonomik fragt das Projekt danach, wie die Neue Klassische Makroökonomik – beginnend mit den Arbeiten von Robert E. Lucas und der Rational Expectations Revolution, kulminierend in den Real Business Cycle-Theorien – die Wirtschaft und die Rolle der Steuerung durch Zentralbanken konzeptualisiert.
In Bezug auf das Steuerungswissen und Steuerungspraktiken von Zentralbanken wird erforscht, wie sich das wirtschaftswissenschaftlich produzierte Wissen in praxisrelevantes Wissen für Zentralbanken transformiert.

Das Forschungsprojekt verbindet somit eine (meta-)theoretische Perspektive auf die Ökonomik mit einer empirischen Untersuchung der Schnittstellen zwischen dem Wissenschafts- und dem Finanzsystem. Das Forschungsdesign basiert auf dem methodischen Zugang der wissenssoziologischen Diskursanalyse. Das empirische Untersuchungsmaterial umfasst dabei die Gründungsdokumente der Neuen Klassischen Makroökonomik sowie Dokumente der Federal Reserve Banks, der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank.

Das Projekt gliedert sich in drei Arbeitsphasen: In der ersten Phase steht die Konstruktion ökonomischen Wissens im Mittelpunkt. Ziel ist es, einschlägige Werke der zentralen Protagonisten der Neuen Klassischen Makroökonomik (v.a. Robert E. Lucas, Thomas J. Sargent, Edward C. Prescott, Finn E. Kydland) auszuwerten. Die Analyse des Textmaterials ist durch drei Forschungsfragen geleitet:
1. Inwiefern schaffen wirtschaftswissenschaftliche Modelle kognitive Pfadabhängigkeiten bezüglich der Interpretation ökonomischer Prozesse?
2. Wie übersetzt sich wirtschaftswissenschaftliches Expertinnenwissen in bedeutungsvolle nicht-wissenschaftliche Praktiken?
3. In welcher Weise reklamiert die Neue Klassische Makroökonomik eine höhere empirische Validität ihrer Modelle?

Die zweite Arbeitsphase widmet sich der Umsetzung der Überlegungen der Neuen Klassischen Makroökonomik in den Strategiepapieren der Federal Reserve Banks. In der letzten Phase werden noch Dokumente der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank hinzugezogen. Diese Textkorpora werden befragt nach:
1. dem Einfluss der Annahme der Politikineffektivität auf die
Geldsteuerung;
2. den Grenzen der Annahme der Zentralbankunabhängigkeit;
3. die Engführung der Zentralbankpolitik auf Geldwertstabilität und die Ablehnung weiterer Steuerungsaufgaben;
4. die breite Missachtung der endogenen Krisenanfälligkeit von Märkten und speziell der Finanzmärkte.

Neuigkeiten aus dem Projekt:

  • Vom 08.-10.02.2017 organisierte das Projektteam das jüngste Treffen des DFG-Netzwerks „Die Soziologie ökonomischen Denkens“ unter dem Titel „Cultures of Modeling“. Als externe Referenten partizipierten der niederländische Wissenschaftsphilosoph Marcel Boumans sowie der belgische Professor für die Geschichte der Wirtschaftswissenschaften Michel De Vroey.
  • Im Rahmen der 28th Annual EAEPE Conference 2016 (03. bis 05. November an der Manchester Metropolitan University) organisierte Hanno Pahl (zusammen mit Jens Maeße) die Panels der Research Area Economic Sociology. In ihrem Beitrag „The Influence of New Classical Macroeconomics on Central Banking: Preliminary Findings“ präsentierten Jan Sparsam und Hanno Pahl erste Projektergebnisse.
  • Unter dem Titel „Welches Wissen nutzen Zentralbanken? Ökonomik und Finanzmarktregulierung im Kontext der Krise“ hat das Projektteam eine Ad-hoc-Gruppe am 38. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (26. bis 30. September 2016 an der Universität Bamberg) veranstaltet. Als weitere Referent_innen traten Hermann Kocyba (Frankfurt a.M.), Timo Walter (Erfurt) sowie Carola Westermeier (Gießen) auf.
  • Jan Sparsam hat gemeinsam mit Alexander Lenger einen ausführlichen Text erstellt, der die Forschungsagenda und die bisherigen sowie geplanten Aktivitäten des Forschungsnetzwerks „Die Soziologie ökonomischen Denkens“ vorstellt. Siehe unter: http://www.soziopolis.de/verstehen/was-tut-die-wissenschaft/artikel/die-soziologie-oekonomischen-denkens/

Veröffentlichungen

  • Sparsam, Jan (2016): Welche Fragen kann die Wirtschaftssoziologie des Werts beantworten? Eine kleine kritische Konfrontation. Soziopolis (Artikelansicht).
  • Pahl, Hanno; Sparsam, Jan (2016): DSGE-Makroökonomik und die Krise: Soziologische Inspektion einer modellgetriebenen Wissensformation. In: Maeße, Jens; Pahl, Hanno; Sparsam, Jan: Die Innenwelt der Ökonomie. Wissen, Macht und Performativität in der Wirtschaftswissenschaft. Wiesbaden: Springer VS.
  • Pahl, Hanno (2015): Steuerungsabstinenz als Ordnungsvision: Soziologische Beobachtungen zur Rational Expectations Revolution in der Makroökonomik. In: Zeitschrift für kritische Sozialtheorie und Philosophie 2 (2), S. 285–313. DOI: 10.1515/zksp-2015-0014.

Vorträge und Veranstaltungen

  • Treffen des DFG-Netzwerks „Die Soziologie ökonomischen Denkens“ vom 08.–10. Februar 2017 in München mit dem Themenschwerpunkt Cultures of Modeling.
  • Pahl, Hanno; Sparsam, Jan: „The Influence of New Classical Macroeconomics on Central Banking: Preliminary Findings“. Vortrag auf der 28th EAEPE Conference vom 03.–05. November 2016 in Manchester.
  • Nies, Sarah; Pahl, Hanno; Sparsam, Jan: „Der Aufstieg der New Classical Macroeconomics. Zum Wandel von Steuerungsvisionen in der Makroökonomik“. 38. Kongress der DGS, vom 26.–30. September 2016 in Bamberg.
  • Treffen des DFG-Netzwerks „Die Soziologie ökonomischen Denkens“ vom 14.–16. September 2016 in Weimar mit dem Themenschwerpunkte Finanzialisierung und Globale Politische Ökonomie.
  • Sparsam, Jan: Wirtschaftswissenschaftliches Framing in der Steuerungszentrale kapitalistischer Ökonomie(n)? Überlegungen zu Übersetzungsprozessen zwischen dem Wissenschafts- und dem Wirtschaftssystem am Beispiel der New Classical Macroeconomics. Vortrag auf der Jahrestagung der DGS-Sektion Wirtschaftssoziologie: „Vom Markt zur Wirtschaftsordnung. Was kann die Soziologie zum Verständnis von Wirtschaftssystemen beitragen?“ am 17.–18.03. März 2016, historische Sternwarte der Georg-August-Universität Göttingen.
  • DFG-Netzwerktreffen Soziologie ökonomischen Denkens in Kooperation mit dem Arbeitskreis Theoriegeschichte der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft: „Historische Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften“ am 10.–12. Februar 2016.
  • Nies, Sarah; Pahl, Hanno; Sparsam, Jan: Vom Modell zur Steuerung. Der Einfluss der Wirtschaftswissenschaft auf die politische Gestaltung der Finanzmärkte durch Zentralbanken. Projektvorstellung auf der Kick-Off-Veranstaltung der BMBF-Förderinitiative „Finanzsystem und Gesellschaft“ am 24.–25. November 2015 in Bonn.
  • Nies, Sarah; Pahl, Hanno; Sparsam, Jan: Vom Modell zur Steuerung. Vortrag auf dem Netzwerktreffen „Soziologie ökonomischen Denkens: Bestandsaufnahme und Perspektiven“ am 15.–17. Juli 2015 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Externe Links

Weitere Informationen zur Förderinitiative: http://finanzsystem-und-gesellschaft.de/

Homepage des Netzwerks „Soziologie des ökonomischen Denkens“